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Herstellkosten um ein Drittel reduziert

Hybridtechnik: Gewichts- und Kostenvorteile im Karosseriebau
Herstellkosten um ein Drittel reduziert

Mit der Hybridtechnik, die die Vorteile von Kunststoff und Metall verbindet, lassen sich im Automobilbau hoch belastbare Strukturbauteile fertigen. Dabei werden die Produktions- und Investitionskosten sowie das Bauteilgewicht erheblich gesenkt.

Dipl.-Ing. Martin Klocke und Dipl.-Ing. Thomas Lunow sind Manager Future Business, Dr. Martin Wanders ist Senior Manager Advanced Application Design bei der Bayer Materialscience AG in Leverkusen

Die Hybridtechnik kombiniert das Kunststoffspritzgießen von Polyamid mit dem Metallumformen und nutzt so gezielt die Stärken beider Materialien. Sie hat sich daher als kostengünstige Konstruktionsmethode für intelligente Leichtbaulösungen im Automobilbau etabliert. Dies beweisen nicht nur verschiedene Frontends von Klein-, Mittelklasse- und Oberklassewagen. Vielmehr zeigen neue Anwendungsfelder und ein erweitertes Technologie-Know-how, dass ihr Potenzial zur Gewichts- und Kostenreduktion noch lange nicht ausgereizt ist.
Mit der von der Bayer Materialscience AG, Leverkusen, entwickelten Hybridtechnik lassen sich hoch belastbare Strukturbauteile fertigen. Für ihren Einsatz sprechen diverse Faktoren:
  • ein zumeist deutlich reduziertes Bauteilgewicht,
  • ein hohes Potenzial zur Funktionsinte- gration,
  • niedrigere Herstell- und Investitionskosten von Hybridkomponenten im Vergleich zu reinen Metallstrukturen sowie
  • ein verminderter Montageaufwand.
Zudem kann die Fertigung hochautomatisiert erfolgen.
Jüngste Einsatzbeispiele sind die Frontends im neuen Ford Fiesta – produziert von der Visteon GmbH in Kerpen – und im Ford Focus C-MAX mit dem Hersteller Dynamit Nobel Kunststofftechnik GmbH, Essen. Gefertigt werden sie unter Einsatz von Durethan BKV 30, einem Polyamid von Bayer Materialscience. Als besonders kosteneffektives Bauteil widerlegt das Frontend des Fiesta das vereinzelt im Markt anzutreffende Vorurteil, dass die Hybridtechnik zu teuer sei. Überzeugend ist die Performance des nur 3,8 kg leichten Low-Cost-Bauteils: Im Haubenschlosstest übersteht es Kräfte von weit über 5 kN – und das bei Wanddicken von teilweise unter 2 mm.
Versuche, Polyamid durch preiswerteres Polypropylen (PP) zu ersetzen, führen nicht zwingend zu Hybridbauteilen, die vergleichbar belastbar, leicht und kostengünstig sind. Dies ergab beispielsweise ein Vergleich zweier seriengefertigter Hybrid-Frontends. Beide basieren auf der gleichen Pkw-Plattform. Das mit Langglasfasern verstärkte PP-Bauteil besitzt generell eine deutlich niedrigere Bindenahtfestigkeit. Aufgrund der zahlreichen Bindenähte, die Hybridbauteile durch die erforderlichen Verrippungen aufweisen, wirkt sich dies negativ auf die Belastbarkeit aus.
Außerdem besitzt PP eine geringere Wärmeformbeständigkeit und eine größere geometrische Inhomogenität in seinen Materialeigenschaften. Weil bei der Konstruktion auf dieses Eigenschaftsprofil von Polypropylen Rücksicht genommen werden musste, ist das Bauteil um etwa 10 % schwerer als das mit 30 % Glasfasern verstärkte Polyamid-Pendant. Zudem gibt die Stützstruktur bei Belastung wesentlich früher nach.
Als Alternative zur Hybridtechnik wird derzeit das Kragenfügen diskutiert. Dabei wird ein Blechteil mit gezielt angebrachten Blechkrägen in das fertig spritzgegossene Kunststoffteil eingedrückt. Untersuchungen zur Kopfzugfestigkeit ergaben, dass die Verbindung zwischen Blech und Kunststoff im Falle einer Hybridkonstruktion mit Polyamid mehr als doppelt so fest ist wie beim Kragenfügen. Dies führt zu einem wesentlich besseren Crashverhalten und verzögerten Bauteilversagen.
Die Leistungsfähigkeit der Hybridtechnik kann durch ein vertieftes Entwicklungs- und Konstruktions-Know-how gesteigert werden. So lässt sich die Topologieoptimierung gezielt auf die Hybridtechnologie abstimmen und das Bauteilgewicht nochmals deutlich verringern sowie die Belastbarkeit der Komponenten steigern. Bayer-Experten haben bereits in Serie gefertigte Bauteile erneut mit Hilfe dieser Simulationsmethode analysiert. Es wurde deutlich, dass die Leistung der Teile bei gleichem Gewicht um bis zu 30 % zu steigern ist.
Über Frontends hinaus, eignet sich die Hybridtechnik im Pkw- und Lkw-Bau auch für andere Leichtbaulösungen. Ein Beispiel ist das Antennenmodul im Sport Utility Vehicle XC90 von Volvo. In ihm sind alle Antennen und zugehörigen Empfangsgeräte – etwa für Radio, Fernseher oder GPS-System – vereint. Das rund 1,8 kg leichte Modul ist unter einer Kunststoffabdeckung am hinteren Dach des Geländewagens untergebracht. Vorteil der kompakten Modulbauweise und der hohen Integration ist vor allem, dass viele Kabel eingespart werden.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist die Verstärkung der Vorbauklappe des Mercedes-Benz Actros. Die Ausführung in Hybridtechnik bringt mehrere Vorteile: So sind die Anbindungspunkte zum Zusammenbau-Rahmen (ZSB) integriert. Da das Blechteil der Hybridstruktur dünner ausgelegt und daher filigraner und kompakter umgeformt werden kann, ließ sich die Gesamtkonstruktion leichter in den vorgegebenen Bauraum einpassen. Außerdem verteilt die Hybridkonstruktion die Kräfte, die beim Öffnen und Schließen über die Gasdruckfedern und die Vorbauklappe eingeleitet werden, gleichmäßiger über das Bauteil und verhindert lokale Deformationen.
Eine Serienanwendung der Hybridtechnik sind auch die Türschienen im neuen Golf von Volkswagen. Sie erlauben eine einfache Demontage des Türaußenblattes und sorgen für die erforderliche Stabilität.
Ein vielversprechendes Bauteil für den Auto-Innenraum ist das Hybrid-Bremspedal. Im Vergleich zu einer Metallvariante, sind die Herstellkosten um 10 bis 30 % geringer – unter anderem, weil die Anbindungen für Boosterstange, Trittfläche und Bremslichtauslöser integriert werden können. Zudem ist das Pedal um etwa ein Drittel leichter.
Großes Potenzial bietet die Hybridtechnik im Bereich der Rohkarosserie: Sie eröffnet die Chance, das Gewicht von Komponenten um rund 30 % zu senken sowie die Anzahl von Blechen und Schweißpunkten zu reduzieren.
Wie laufende Projekte mit Kunden ergaben, resultieren die
Kostenvorteile gegenüber reinen Metallteilen weniger aus der Funktionsintegration als aus den Möglichkeiten, die Montage zu vereinfachen und den Fertigungsprozess zu verschlanken. Zudem verbessern Hybridstrukturen das Crashverhalten. Tests mit Durethan BKV (PA6 GF) ergaben außerdem, dass sie der Wärmebelastung bei der kathodischen Tauchlackierung widerstehen und gegen Auto-typische Chemikalien resistent sind. Die erste Karosserieanwendung wird noch dieses Jahr in Serie gehen. Vision von Bayer Materialscience ist, komplette Rohkarossenmodule in Hybridbauweise zu fertigen.
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Hybridtechnik ermöglicht Leichtbaulösungen im Kraftfahrzeugbau
Industrieanzeiger
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