Startseite » Allgemein »

Bolzen-Löten ist eine vollwertige Alternative

Fügetechnik: Einsatzgrenzen des Bolzen-Schweißens gesprengt
Bolzen-Löten ist eine vollwertige Alternative

Das Bolzen-Löten vermeidet die negativen Auswirkungen, die beim Schweißen durch die Schmelze und die hohe Prozesswärme entstehen. Das Lot bildet eine Pufferschicht und verhindert das Aufschmelzen der Fügeteile. Die Festigkeiten liegen auf dem Niveau wie beim Bolzen-Schweißen.

Jürgen Seilkopf und Norbert Winkler sind Mitarbeiter der Schweißtechnischen Lehr- und Versuchsanstalt (SLV) Halle GmbH in Halle

Als industrielle Fügemethode hat das Lichtbogen-Bolzenlöten (LBL) jetzt die Fertigungsreife erreicht. Es bietet dort noch Einsatzmöglichkeiten, wo das Bolzen-Schweißen längst auf Grenzen stößt. So lassen sich jetzt Bleche und Bolzen aus hochkohligen Stählen fügen, die beim Schweißen aufhärten und verspröden können. Selbst bei Bolzen mit einem Durchmesser von 16 mm geht der Einbrand gegen Null. Wasserstoffinduzierte Rissbildungen oder ein Aufhärten durch intermetallische Phasen sind beim Löten wesentlich reduziert. Somit sind Bolzenverbindungen von unlegierten mit legierten CrNi-Stählen möglich (Schwarz/Weiß-Verbindungen). Erste Versuche zeigen außerdem, dass auch CrNi-Bolzen mit Aluminium-Blechen verlötet werden können.
Das Bolzen-Löten lässt sich mit derselben Gerätetechnik durchführen wie das Bolzen-Schweißen. Lediglich einige Parameter müssen an den Lötprozess angepasst werden: Die Ströme sinken, dafür verlängern sich die Fügezeiten. Besonders die Variante mit Kurzzeit-Hubzündung eignet sich gut für das Bolzen-Löten. Beim LBL erzeugt der Lichtbogen kein gemeinsames Schmelzbad zwischen den zu fügenden Teilen wie beim Bolzen-Schweißen. Vielmehr schmelzt er einen dritten Werkstoff auf – das deutlich niedriger schmelzende Lot. Der Wärmeeintrag mit all seinen negativen Auswirkungen auf das Gefüge der Grundwerkstoffe reduziert sich erheblich. Der Einbrand (Einschmelztiefe) geht gegen Null.
Drei praxisorientierte Beispiele demonstrieren im Folgenden die Einsatzmöglichkeiten des Lichtbogen-Bolzenlötens.
Schienenwerkstoff
Bei einem Schienenwerkstoff der Stahlmarke 91SZV, der einen Kohlenstoff-Gehalt von 0,81 % aufweist, wurden die ersten Lötversuche mit aufgeschüttetem Lötpulver durchgeführt. Stähle mit so hohem Kohlenstoffgehalt lassen sich in der Regel nicht oder nur sehr schlecht schweißen. Sie härten bei der schmelzschweißtechnischen Verarbeitung stark auf, werden sehr spröde und können ohne Wärmevor- und -nachbehandlung überhaupt nicht gefügt werden.
Beim LBL mit aufgeschüttetem Lötpulver hingegen entstand eine gleichmäßige, hohlkehlenartige Lotwulst, die auf einen günstigen Kraftverlauf unter Last schließen lässt. Doch Loteinbrand und Wärmeeinflusszone im Schienenwerkstoff waren immer noch zu groß. Diese ersten Versuche zeigten, dass sich das Lotpulver zu stark mit den Grundwerkstoffen vermischte. Es muss deshalb eher von einem Schweißen mit artfremdem Zusatzwerkstoff gesprochen werden als von Löten. Die dabei auftretenden metallurgischen Vermischungen können zu Versprödungen und später zum Bruch führen. Doch selbst diese Verbindungsart erzielte sehr gute Festigkeitswerte. Bei Belastungstests versagte der Bolzen im unbeeinflussten Grundwerkstoff.
Wesentlich günstigere Ergebnisse brachte das Lichtbogen-Bolzen-Löten mit Lotfolien. Hier wurde die Lotfolie auf den Schienenwerkstoff aufgelegt. Das hat den Vorteil, dass zunächst die Lotfolie die Wärme vom Lichtbogen aufnimmt und erst über die Lotschmelze an den Schienenwerkstoff weitergibt. Das Resultat ist eine sehr geringe Wärmebeeinflussung des Schienengrundwerkstoffes. Tests bei statischer Belastung brachten sehr gute Ergebnisse. Bei Zug- und Abdrehversuchen versagten die Proben immer im unbeeinflussten Bolzen und erreichten Biegewinkel bis zu 90°.
Brücken- und Hochbau
Im bauaufsichtlichen Bereich gibt es Regeln für das Bolzen-Schweißen. Erlaubt ist nur die Kombination von „weißen” Bolzen (CrNi-Legierungen) mit gewöhnlichen „schwarzen” Blechen, wobei der Bolzendurchmesser maximal 10 mm betragen darf. Demgegenüber ließ sich an der SLV Halle durch LBL sogar eine Verbindung realisieren, bei der ein schwarzer Bolzen mit 16 mm Durchmesser auf ein weißes Blech (CrNi) mit 2,5 mm Dicke gelötet wurde. Im Schliff ist zu erkennen, wie die Lotschicht verhindert, dass sich die Grundwerkstoffe vermischen (Bild oben). Somit ist das Problem hoher Härtespitzen durch Martensitbildung nicht mehr gegeben.
Heizungs- und Kesselbau
Durchgängig fehler- und kerbfreie Bolzenverbindungen sind insbesondere bei Rohrleitungen, Kesseln, Heizungen und Behältern wichtig. Denn die Bolzen dieser Anlagen sind oft großen thermischen und dynamischen Belastungen ausgesetzt. Zudem liegen häufig Werkstoffkombinationen vor, die wie schon beschrieben für das Bolzen-Schweißen problematisch sind. Bei einer klassischen Bolzenschweißverbindung (Hubzündung) ändert sich das Gefüge des Schweißguts immer. Findet im Bereich der Wärmeeinflusszone eine Aufhärtung statt, kann es zu einer kritischen metallurgischen Kerbe kommen. Zugleich ist mit Bindefehlern an den Randbereichen der Schweißwulst zu rechnen. Beide Fehler können bei thermisch-dynamischer Belastung zum Versagen der Bauteile führen. Ganz anders verhält es sich aber, wenn die Verbindungen durch LBL zustande kommen. Lötungen zwischen einem legierten Bolzen und einem warmfesten unlegierten Blech lassen eine äußerst geringe Wärmeeinflusszone erkennen. Gleichzeitig bildet das Lot im Randbereich des Bolzens einen durchgehend gleichmäßigen Film aus, was Schliffuntersuchungen belegen.
Für den Anwender ist wichtig zu wissen, dass das Lot sowohl am Bauteil als auch am Bolzen deponiert werden kann. Lotpulver lässt sich durch Widerstandserwärmen fixieren, bei Lotfolien bietet sich ein mechanisches Clinchen oder loses Auflegen an. Soll das Bauteil vor Wärme geschützt werden, deponiert man das Lot am besten auch am Bauteil, weil es dann wie ein Schutzschild gegen dem Lichtbogen wirkt.
Festigkeitsvergleich
Im Vergleich zum Schweißen hängen die Zugfestigkeiten gelöteter Bolzenverbindungen stark von den Blechdicken ab. Liegt die Blechdicke über 1,5 mm, erreicht das Licht-bogen-Bolzenlöten die gleichen Festigkeiten wie das Bolzen-Schweißen. Bei Blechdicken bis 1,5 mm fallen die Festigkeitswerte ab, liegen aber immer noch über denen des konventionellen Lötens. Der Grund ist die höhere Deformation des dünneren Bleches unter Zugbelastung. Es kommt zu einer Schälbeanspruchung, die für Lötverbindungen sehr ungünstig ist. Mit kleiner werdendem Verhältnis von Bolzendurchmesser zu Blechdicke nimmt der Einfluss der Schälbeanspruchung jedoch ab, und die Lichtbogen-Bolzenlötung erreicht die gleichen Festigkeiten wie eine Bolzenschweißung von gleichartigen Werkstoffen.
Fazit: Im Vergleich zu Schweißungen bietet das Lichtbogen-Bolzenlöten einen wesentlich verminderten Wärmeeintrag, stark reduzierten Einbrand, sehr schmale Wärmeeinflusszonen und hohe Festigkeiten, selbst bei auf-härtungsempfindlichen Stählen. Labortests haben bewiesen, dass mit geeigneten Loten auch Stahlbolzen auf NE-Metalle und Aluminiumlegierungen aufgelötet werden können.
Bolzen-Löten: Festigkeiten wie beim Schweißen
Die Vorteile auf einen Blick
– Grundstoffpaarung schmelzt nicht auf
– Einbrand geht gegen Null
– Wärmeeinbringung ist reduziert
– Fügen neuer Werkstoffkombinationen und/oder Kombinationen von Bolzendurchmesser und Blechdicke
– Lötverfahren ist geeignet für genormte und ungenormte Bolzen
– Gerätetechnik wie beim Lichtbogen-Bolzenschweißen, lediglich leicht modifiziert
– Vergleichbare Produktivität wie beim Bolzen-Schweißen (Prozesszeiten von etwa 200 ms)
– Bei Blechdicken bis 1,5 mm sind Festigkeiten geringer als beim Bolzen-Schweißen, jedoch höher als beim konventionellen Flammlöten
– Bei Blechdicken ab 4 mm gibt es keine Festigkeitsverluste gegenüber dem Bolzen-Schweißen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Tipps der Redaktion

Unsere Technik-Empfehlungen für Sie

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de