Immer mehr Zulieferunternehmen blicken über den Tellerrand ihrer Produktion und bieten Zusatzleistungen an – meist industrienahe Dienstleistungen. Um Kapazitäten nicht selbst vorhalten zu müssen, brauchen sie Partner.
Thomas Baumgärtner ist Journalist in Kusterdingen
Das gab es in Baden-Württemberg mit seiner traditionell mittelständischen Struktur wohl noch nicht: Rund 20 klassische Familienunternehmen verzichten zeit- und projektweise auf ihr hohes Gut der Eigenständigkeit und ordnen sich einem Projektmanagement unter. Die im AKZ Baden-Württemberg zusammengeschlossenen Zulieferer holten sich einen Engineering-Partner an Bord.
„Das wird den AKZ Baden-Württemberg ganz wesentlich weiter nach vorne bringen“, zeigt sich Michael Kownatzki, der Vorsitzende des Arbeitskreises, überzeugt. Der AKZ hätte sich zu einem Netzwerk von unabhängigen, mittelständischen, familiengeführten Unternehmen in Baden-Württemberg mit den Schwerpunkten Antriebstechnik, Blechtechnik, Umformtechnik und CNC-Präzisionstechnik entwickelt, benennt Kownatzki das Spektrum.
Das Lösungspotenzial der rund 20 AKZ-Mitgliedsunternehmen soll so gebündelt und mit Hilfe des Projektmanagements auf Kundenanforderungen besser zugeschnitten werden – gemäß dem Motto: Alles aus einer Hand. Auf der Hannover Messe präsentieren die Partner ihr Konzept erstmals auf dem Gemeinschaftsstand des AKZ in Halle 2, Stand E32.
Ein typischer Dienstleistungs-Partner, der für produzierende Unternehmen einen interessanten Service anbietet, ist auch die Techprotect GmbH in Böblingen. Reverse Supply Chain Management nennt sich das Angebot. Im Namen seiner Kunden organisiert Techprotect die Rücknahme von Gütern beim Endkunden. Das können Elektrogeräte, Verschleiß- oder Verbrauchsmaterialien und vieles mehr sein. Die Idee dahinter ist pfiffig: „Wir wollen dem Hersteller helfen, dass er seinen Kunden einen besonderen Service bieten kann“, erläutert Geschäftsführer Helmut Minor.
Und der besteht beispielsweise darin, dass der Endkunde sich um die Entsorgung nicht kümmern muss oder er beim Neukauf einen Rabatt auf das Altgerät erhält. Der Hersteller wiederum kann die Rückholung nicht nur mit Aktionen wie Rabatten oder Ähnlichem verbinden. „Vor allem hält er Kontakt zu seinem Abnehmer“, so Minor.
Interessant ist die Dienstleistung vor allem auch für Zulieferer, die fertige Produkte an einen OEM liefern. In der Dreier-Konstellation Zulieferer, OEM und Endkunde sieht Minor für ein Rücknahmesystem sehr vielfältige Geschäftsmodelle. „Der Phantasie der beteiligten Partner sind da kaum Grenzen gesetzt“, meint der Techprotect-Chef.
Für Rücknahmesysteme sind vielfältige Modelle denkbar
Neue Geschäftsmodelle treten an
In der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern werden sich neue Geschäftsmodelle etablieren. Das ist ein Ergebnis der Studie „Future Automotive Industry Structure (Fast) 2015“, die vom Fraunhofer-IPA, Stuttgart, und Mercer Management Consulting, München, herausgegeben worden ist. Die etablierte Hierarchie von erster und zweiter Zulieferebene bleibt demnach zwar die vorherrschende, sie wird aber nur noch 65 % der automobilen Wertschöpfung betreffen. „Eine Reihe neuer Geschäftsmodelle wie Systemkooperationen, Produktionskooperationen oder Engineering-Dienstleister wird die Zusammenarbeit in der Branche erheblich verändern“, heißt es in der Studie.
Auch die neue McKinsey-Studie „Hawk 2015“ geht davon aus, dass sich die Automobilindustrie vor einem Umbruch befindet und vor allem System übergreifende Strukturen sich etablieren werden.
Zulieferer, die schon jetzt neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungsangebote erproben, dürften demnach für den Wandel in dieser Branche gut gerüstet sein. Und oftmals übernimmt die Automobilindustrie ja die Vorreiterrolle für andere Branchen.
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